Dienstag, 8. Mai 2012

Wenn du lachst - da könnte ich stundenlang zusehen.

Weißt du, es ist nicht leicht sich nach einer ewig langen Beziehung, einer nicht so angenehmen Trennung oder einfach nach unglaublich langer Zeit auf etwas Neues einzulassen. Die lange Zeit des „Vergeben sein“ schafft so viele Gewohnheiten.
Der Kuss zur Begrüßung, der zum Abschied, das „Ich liebe Dich“ nach dem Sex. Überhaupt der Sex. So eingespielt, bekannt, man weiß, was zu tun ist. Nichts Neues, aber nichts Schlechtes.

Und dann Zack, nimmst Du den Schlüssel für die Tür deines Freundes.
Aufschließen, wie immer, wie all die Jahre. Dann braucht es erst mal drei Flaschen Wein und so einige Zigaretten mit der besten Freundin um zu verarbeiten was du gesehen hast.

Aber wenn es das ist, was deinen Freund so anmacht, der Sex auf der Waschmaschine bei offener Badezimmertür mit seiner Mitbewohnerin. Dann ja, dann dreh dich um und geh.

Natürlich war es nicht so wie es aussieht und er konnte gar nichts dafür und immer das Gleiche. So wie du es tausend schlechten Filmen gesehen hast.
Aber es geht nicht mehr.
Nicht so.
Dieses Bild, wie tätowiert geht nicht mehr aus dem Kopf.
Wie festgebrannt.
Wie eingeprügelt.
Aber die Zeit heilt alle Wunden.
So ist es doch oder?

Zu dieser Zeit gehören die Mädelsabende, der Wein, die Zigaretten, die endlosen Nächte, die tiefen Ausschnitte, Küssen und Sex.
Freiheit, ultimative Freitheit.
Absoluter Gefühlsoverflow und absolutes verdrängen-vergessen.

Und dann saß ich da, an den Bänken am Hafen. Nach einer extremen Nacht mit viel zu viel von allem. Total betrunken und verraucht und heiser, dreckig irgendwie und die Schminke verschmiert und schon allein, dass das scheiß Taxi nicht kam, war ein unendlicher Grund zum heulen. Rotz und Wasser, die Zigarette verglühen lassend, mit großen Krokodilstränen und schluchzend, wie nur Mädchen weinen, wenn sie aus einer kleinen Mücke einen unendlichen Elefanten machen. Dieser verkackte Moment der das kleine Fass, dass eh schon bis zur Oberflächenspannung gefüllt ist, zum überlaufen bringt.

„Na scheiß Zeit im Moment?“ - spricht eine ebenso verrauchte Männerstimme neben mir und ich erschrecke mich fast zur Tode. „Lass mich in Frieden. Mein Taxi kommt gleich. Und nur weil ich heule, lass ich mich nicht ficken. Das hatte ich grade schon. In diesem Dreckschuppen auf der Toilette. Und dein verkacktes Mitleid brauch ich nicht.“
Männerlachen.
„Ich will keinen Sex und Mitleid brauchst du auch nicht. Du bist erwachsen, zumindest siehst du so aus, du wirst damit schon fertig. Und dein Taxi kommt bestimmt eh nicht mehr, wenn es jetzt noch nicht da ist. Ich beobachte dich seit einer halben Stunde und ich mag das nicht mehr mit ansehen. Komm, ich bring dich nach Hause.“

Ich bin mitgegangen keine Ahnung wieso. Eine halbe Stunde sind wir schweigend nebeneinander hergelaufen. Dann stand ich vor meiner Tür.
„Guck mal. Ich bin Philipp und schmeiß dir einen Zettel mit meiner Handynummer in den Briefkasten. Wenn du sie die Tage raus holst, weil du reden möchtest, mach das und meld dich. Wenn nicht wirf sie einfach weg.“ - sprach es aus und war auch weg.
Ich ging allein ins Bett an diesem Abend und es fühlte sich irgendwie gut an.

Drei Wochen später saßen wir auf einem Spielplatz. Philipp und ich. Mit Bier und Zigaretten und schaukelten vor uns hin. Es dämmerte breits.
Die letzten einundzwanzig Tage waren wir unzertrennlich gewesen, kein Wort über den Ort des Kennenlernens und über mich oder die Situation in der ich gewesen bin zu der Zeit. Alles war so leicht und irgendwie glücklich. Ich hab gelacht, so viel wie schon lange nicht mehr und es war so erleichternd seine Nähe zu spüren. Ganz unbefangen und ohne körperliche Nähe.
Wie Kinder haben wir uns manchmal benommen, irgendwie albern, aber unbefangen. Jeden Tag etwas anderes. Kino, DvD, Zoobesuch, Picknick im Park, sonnen am See...unendliche Gespräche mit viel Ironie und nur ein bisschen Flirten. Wir haben uns so gut kennengelernt, unendlich gut quasi.

„Anna, das was war...tut das noch weh?“
-“Wann und was meinst du?“
„Anna, stell dich nicht blöd. Du weißt was ich meine und von welchem Abend ich rede.“
-“Ja, du hast recht. Ich weiß es, aber mir geht es gut gerade im Moment. Gerade jetzt so wie es ist. Mach dir keine Gedanken. Es ist vorbei und irgendwie...es ist in Ordnung.“
„Freitagnacht sah das nicht so aus.“
-“Ja, kennst du das, wenn alles zu viel ist? Es ist zwei Monate her, nicht lang, aber lang genug im drüber hinweg zu sein. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir das letzte Jahr eingeredet, dass alles gut ist. Und es war gut, wie das Ende gekommen ist, vielleicht der falsche Weg und sehr verletzend für mich, aber es ist vorbei.“
„Ich hab dich das letzte Mal traurig gesehen, in dieser Nacht. Die letzten drei Wochen sahst du glücklich aus.“
-“Ich war glücklich und bin es im Moment. Ich bin es sehr.“
„Wegen mir?“
-“Ja, wegen Dir.“
„Ich kann nicht verstehen, wie dich jemand so verletzen konnte, Anna. Wie es Männer gibt, die an dir vorbeilaufen und dir nicht die Tür aufhalten. Die nicht dauernd Witze machen, um dich noch öfter lachen zu sehen. Die dir nicht in die Augen sehen können beim Reden, das ist so schön, dich dabei an zu sehen, wenn du von etwas erzählst, was du gerne machst. Ich möchte jeden Tag mit dir verbringen. Einfach jeden. Als ich dich in der Nacht gesehen habe, du sahst so scheiße aus – sorry, wenn ich das so sage, aber ich wusste, dass das von alleine nicht möglich ist, so auszusehen. Ich hab dich gesehen und wollte dich glücklich machen, weil ich wusste, es ist so schön, wenn du lachst. Und wenn du Lachst, Anna, dass könnte ich stundenlang sehen. Ich hab mich in dich verliebt, in dem Moment, als ich mich neben dir gesetzt habe. Aber ich habe Angst, dass ich nur der bin, damit das Vergangene schneller vorbei geht. Ich will keine Ablenkung sein. Und wenn ich es mir jetzt versaut habe, weil ich für dich nur Ablenkung bin, oder einfach nur ein Kumpel, mit dem man coole Sachen macht, dann müssen wir die letzten 3 Wochen in schöner Erinnerung behalten, okay?...aber dann muss ich jetzt auch gehen, weil dass kann ich dann nicht weiter.“

Schweigen. Ich gucke Philipp an und Philipp guckt mich an.
„Philipp, also ich glaube, ich muss gehen.“ , sage ich.
Er guckt mich an, sein Blick wird traurig.
Ich stand vor seiner Schaukel, schmiss meine weggebrannte Kippe in den Sand und stellte das Bier daneben.
Philipp guckte auf den Boden, durch das Licht der Straßenlaterne konnte ich sehen, wie er schluckte. Er griff in seine Jackentasche und holte eine Zigarette und zündete sie an.
„Anna, guck nicht so, verdammte scheiße, dann geh bitte.“
Ich nahm ihm die Kippe aus der Hand, drückte sie aus und nahm seine Hand.
„Ohne dich Philipp? - Ohne dich geh ich nicht.“